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Egon Hassbecker

 

Oft habe ich den Eindruck, dass die erstaunlichsten Neuschöpfungen, gerade von jenen Menschen kommen, die wir als 'geistig behindert' zu bezeichnen, uns angewöhnt haben.

Der Grad unserer Lernfähigkeit ist nicht der Maßstab für unsere Kunstfähigkeit und Kunst entwickelt sich nicht aus dem, was wir gelernt haben. Die kreativen Fähigkeiten des Menschen existieren unabhängig von seiner Intelligenz.

Die 'geistige Behinderung', wie wir sie an der Oberfläche wahrnehmen, sagt nichts über wertvolles inneres Wissen aus und auch nichts über die Befähigung, aus jenen Quellen zu schöpfen um Verborgenes ans Licht zu fördern.

  Der geistig Behinderte ist nicht vonvornherein auch ein kunstbehinderter Mensch. Das Gegenteil kann der Fall sein. Geistig behinderte Menschen sind den tiefen Schichten des Geistes, die weit unter der sichtbaren Oberfläche liegen, oft näher.

  Die Quellen sind bei ihnen nicht durch Konventionen verschüttet, wie bei sogenannten normal entwickelten Menschen. Er muss nicht, wie der Gebildete, seine Bildung erst beiseiteräumen oder vergessen, Vorurteile durch erlerntes Wissen überwinden, um zu jenen Tiefen vorzustoßen, wo es noch immer etwas zu schöpfen gibt.

  Die geistige Behinderung kann die kunstschaffenden Kräfte freier zu Tage treten lassen. Das normale Denken belastet sie nicht. Vorsätze und Vorurteil entstehen erst gar nicht.

  Dies Menschen bleiben weitgehend unbeeinflusst. Gebilde, geschaffen von diesen Menschen entstehen frei von Überlegungen, Skrupeln, oder Rücksicht auf Ruhm und Broterwerb. Es sind echte Zeugnissse ihres eigenen Empfindens und Vermögens. Nichts Angelerntes ist darin, keine modischen Allüren, keine Absichten. Nur aus dem ihnen Eigenen können sie schöpfen.

  Sie sind immer authentisch.

Die Kunst als Offenbarung der tiefsten Schichten ist zeitlos.

Sie bereichert unser Leben und verhilft uns zu Erkenntnissen über das Rätsel Mensch.

 

Egon Hassbecker ist Gründer und Direktor des Museums „Haus Cajeth“ in  Heidelberg

Museum Haus Cajeth

Haspelgasse 12, 69117 Heidelberg
Tel. (06221) 2 44 60 und (06221) 18 39

 

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